Liebethal in der Kirchenzeitung DER SONNTAG
Kaum 280 Einwohner hat das rund 780 Jahre Liebethal, Ortsteil von Pirna.Doch die kleine Renaissancedorfkirche, deren Vorgängerbau 1373 erstmals urkundlich erwähnt wurde, hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Ort sakraler Kultur entwickelt. Oberhalb eines beliebten Weges durch den Wesenitzgrund gelegen, zieht sie die Aufmerksamkeit von Wanderern auf sich. Zumal ihre Mauern in frischem Weiß strahlen. 2012 ist die schlichte Saalkirche gründlich saniert worden. Ein Schild an der Pforte gibt Auskunft, wer von den Nachbarn einem die Kirche aufschließt.
Das Altarretabel von 1927 ist ein Nachbau seines über 400 Jahre alten Vorgängers. Doch bei der Kreuzigungsszene in der Mitte, dem Abendmahl unten, Geburt und Taufe Jesu links und rechts handelt es sich um Originalgemälde von Andreas Göding (1570 - 1627). Seit der Restaurierung 2012 sind die Bilder der Evangelisten und des Apostels Petrus an der Kanzel aus der Renaissancezeit wieder sichtbar. Auch die Eule-Orgel von 1927 ist repariert.
In einem modernen Anbau mit Glasfassade an der Südseite hängt eine Ausstellung mit Ansichten des Ortes und der Kirche von dem Liebethaler Wolfgang Grahl, einem der letzten Zinngießer im Osten Deutschlands. Zu Johannis am 24. Juni kommen Bilder der Pirnaer Malerin Brigitta Arnold an diese Stelle.
Als der Anbau 2018 errichtet wurde, musste Burkhard Nitzsche, seit 2013 Pfarrer der 1999 mit Graupa vereinigten Gemeinde, nur dreimal auf die Baustelle, wie er erzählt. "Die Liebethaler verwalten sich selber."
Das tun die etwa zehn Aktivsten unter den insgesamt 63 Gemeindegliedern in einem "Arbeitskreis offene Kirche Liebethal". Armin Groß zum Beispiel, der sein Geld als Bauingenieur verdient, aber am liebsten Geige oder Schlagzeug spielt, regte den "Liebethaler GrundTon" an, ein dreitägiges Festival für Jazz und Weltmusik im Oktober. Pascal von Wroblewski hat hier schon gesungen und der Dichter Christian Lehnert gelesen.
Selbst als wegen des Corona-Virus nirgendwo mehr Gottesdienste gefeiert werden durften, blieb es in der Kirche nicht völlig still. Adéla Drechsel, Geigerin aus dem Nachbarhaus, musizierte an den Sonntagnachmittagen für zufällige Gäste.
2015 initiierte Groß zusammen mit Matthias Piel, der im Oktober 1989 eine Arbeitsgruppe des "Neuen Forum" in Pirna gründete, die Reihe "Liebethaler Grundgedanken". Jeden Monat treffen sich zwischen sechs und zehn Leute. "Dass wir über unseren Glauben reden, passiert viel zu wenig", meint Piel.
Für regelmäßige Besucher sorgt auch das Jugendgästehaus nebenan in einem 200 Jahre alten sanierten Gutshof. "Und inzwischen", sagt Pfarrer Nitzsche, "ist Liebethal eine beliebte Traukirche geworden".
Tomas Gärtner (Der Sonntag, Nr. 27, 5. Juli 2020. S. 7) Textwiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors